Farid Hafez

Political Scientist, Visiting Professor of International Studies at Williams College, Senior Fellow at Bridge Initiative/Georgetown University

Replik zu Andreas Kollers “Wem dient der Opfer-Mythos?”

Dies ist eine Replik zum Kommentar “Wem dient der Opfer-Mythos” von Andreas Koller.

Lieber Herr stellvertretender Chefredakteur Andreas Koller,

erstmals freut es mich ehrlich gestanden, dass sie sich die Zeit genommen haben, sich meinen Islamophobiebericht anzusehen. Da sie dies getan haben und damit das Gespräch eröffnen, erlaube ich mir, auf jeden einzelnen Punkt in ihrer Kolumne einzugehen. Gleichzeitig verwundert es mich, dass sie den Bericht so gelesen haben, wie sie ihn dargestellt haben.

Eingehend schreiben sie in ihrem Kommentar „Wem dient der Opfer-Mythos“, dass Migranten sich als hilflose Opfer einer rassistischen Gesellschaft sähen und dies kein besonders guter Beitrag zur Integration sei. Nun, abgesehen von der Nebensächlichkeit, dass es im dem Bericht weder um Migranten, noch primär um Muslime geht, möchte ich eines herausstreichen: Das Problem, das ich hier anspreche, dreht sich primär um die Frage des (anti-muslimischen) Rassismus in unserer Gesellschaft.

All das, worüber berichtet wird, ist unsere Gesellschaft und der Zustand unserer Gesellschaft. Meine Kritik ist damit nicht ein Aufwecken der von ihnen beschriebenen Migranten oder Muslime, sondern ein Weckruf an verschiedene Segmente unserer Gesellschaft, dass wir ein Problem mit Rassismus haben. Also nochmal: Niemanden interessiert ein Opfer-Topos. MuslimInnen erleben Ausgrenzung auch ohne meinem Bericht. Nur wollen manche in der Dominanzgesellschaft diese Ausgrenzung nicht wahrnehmen.

Das ist Sinn und Zweck meines Berichts.

Zu ihrem Kommentar, wir würden im Fazit behaupten „Alle sind böse zu den Moslems“ ist ganz einfach sehr sehr sehr weit weg von all dem, was wir geschrieben haben. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass ich dieses Jahr anders als im vorhergehenden sogar eine deutsche Version mitVorwort für die Österreich-Ausgabe veröffentlicht habe, damit ich all das noch genauer erkläre und erlaube mir kurz daraus zu zitieren: „Der Bericht ist von der Absichtgetragen, auf problematische Tendenzen hinzuweisen, die Grundwerte unserereuropäischen Gesellschaften unterminieren. Islamophobie wird als eine Be-drohungfür Menschenrechte und insbesondere die Religionsfreiheit gesehen.

Die Kritik an islamophoben Haltungen soll zur kritischen Reflexion über unsere Gesellschaft beitragenund unser Handeln an den Idealen der Menschenrechte messen. […] Die in diesem Bericht als islamophob kritisiertenHandlungen sind insofern nicht von der Absicht getragen, Personen oder Institutionenhinsichtlich ihrer Motivation zu bewerten, sondern auf problematischeHandlungen hinzuweisen. Ein Katalog an Empfehlungen wie auch ein Unterkapitelüber Best-Practice Hanldungen soll zudem AkteurInnen, die gegen diese Art desRassismus arbeiten wollen, Gedanken über mögliche Gegenstrategien mitgeben.“

Hatten sie das auch gelesen?

Es verwundert mich kaum, dass sie sich dennoch angegriffen fühlen, da ich Aussagen vieler Personen aus ihrem Berufsstand direkt thematisiert habe. Ich bleibe auch dabei. Herrn Safranski hatte ich nicht nur kritisiert, weil er in sehr verallgemeinernder Sicht über einen engeblichen Import „arabisch-nordafrikanischen Antisemitismus“ spricht, sondern auch darüber hinaus – heute in der Mitte normalisierte – rechte Begriffe wie „Parallelgesellschaften“ oder aber „arabisch-afrikanische Ghettos“ verwendet und eine „tickende Zeitbombe“ unter jungen, arabischen Männern sieht. Zudem: Nicht zur Problematisierung tut er dies, sondern als Warnung wie es Strache nicht besser hätte machen können.

Wenn die stellvertretende Chefredakteurin des Kurier meint, man würde in der Wiener U-Bahn kein deutsches Wort mehr hören und dies ebenso als Zeichen einer negativen Veränderung der Gesellschaft portratiert, verstehe ich nicht, warum sie das nicht problematisch finden. Darf man nur Deutsch sprechen in Österreich? Diese Deutung österreichischer Identität als deutschsprachig halte ich für ein großes Problem, das zu Ausschlussmechanismen führt, wie wir es in der Bildungsdebatte etwa sehen.

An ihrer Kritik: weder geht es um eine von ihnen attestierte „medizinische Ferndiagnose“. Nehmen sie sich die Zeit, nochmal im Vorwort zu lesen, worum es mir eigentlich geht. Aber eine Vebreitung von „Hysterie“ klage ich sehr wohl an. Lieber Herr Kolle, sie haben nicht Sorge zum Ausdruck gebracht, dass ein Terroranschlag à la Anderlecht oder Molenbeek auch in Österreich passieren könnte. Sie haben getitelt „Molenbeek droht auch in Österreich“. Da gibt es einen qualitativen Unterschied, nicht wahr? Sie fragen nach: „Haben wir eine Chance, die Zeitbombe zu entschärfen?“ Herr Koller: In Zeiten der Hysterie rund um islamistisch motivierte Anschläge (von denen wir noch keinen einzigen in Österreih hatten) verwenden sie so eine Sprache?

Als Mensch mit Wissen um die Geschichte unseres Landes erinnern sie sich vielleicht auch daran, dass im Zusammenhang mit dem Antisemitismus die Figur der jüdischen Zeitbombe eine zentrale war. Nein. Ich will damit nicht sagen, dass sie ein böser Antisemit sind. Ich meine, Menschen wie sie in Verantwortungsposition haben entsprechend verantwortungsvoll Journalismus zu machen.
Zur sogenannten Kindergartenstudie sage ich an dieser Stelle nichts mehr, weil sowohl im bericht von 2016 wie auch 2015 bereits genug gesagt wurde. Sie sollten sowohl die kritische Analyse der Sozialwissenschaftlerin Andrea Schaffar (zitiert auf Seite 14) dazu lesen, wenn sie die wissenschaftliche Dimension interessiert. Und sollte sie die politikwisenschaftliche Dimension interessieren, dann lesen sie den 2015-Bericht. Also nochmal: Sollten sie meinen Bericht vollständig gelesen haben, dann wäre es ihnen nicht möglich, von einer Diskreditierung ohne Grund zu sprechen.

Meine Kritik an den NEOS-Wien stammt daher, dass die finanzielle Transparenz gegenüber religiösen Institutionen im Zusammenhang mit Radikalisierung und Islam thmatisiert wird, nicht primär in einem Positionspapiert zu Staats-Kirchen-Politiken.

Zum “islamischen Antisemitismus”

Es gibt Antisemitismus und Muslimen ebenso wie unter Menschen anderer Religionszugehörigkeit. Ich sehe aber in der einseitigen Fokussierung auf den sogenanten „islamischen AS“ seitens der FPÖ und neuerdings der IKG eine problematische Entwicklung hin zu einer Religionisierung des AS und eine Beschränkung dieses Phänomens auf die Gruppe der ohnehin von Rassismen geplagten Gruppe der MuslimInnen. Gleichzeitig wird der Antisemitismus in den Reihen der Dominanzgesellschaft damit aus der öffentlichen Aufmerksamkeit genommen. Bei der FPÖ brauche ich das vermutlich nicht weiter erklären. Dass die IKG zuletzt auch Strache anders gegenübersteht als seinerzeit noch Ariel Muzicant ist auch bekannt.
Zu dem Grünen Efgani Dönmez gibt es genug, was akademisch geschrieben wurde. Ich erinnere nur an die Aussagen rundum Busen, Kameltreiber, One-Way-Ticket. Ein Mann, dem seit seinem Abgang von den Grünen mehr eher von rechten Kreisen applaudiert wird.

Ihre absclhießenden Gedanken wurden bereits zu Beginn thematisiert. Deswegen in aller Kürze: Es geht bei dem Report und den Rassismus der Dominanzgesellschaft, es geht nicht um die MuslimInnen, nicht um Dialog, nicht um den Islam.